Kulturgläubige

Author: CATRIN LORCH

Es kommt wahrscheinlich nicht häufig vor, daß Anzeigen in Kunstmagazinen aus politischem Anlaß geändert werden müssen - aber die roten Versalien „There is war in Lebanon" setzte die Galeristin Andree Sfeir-Semler in letzter Sekunde quer über die Anzeige im amerikanischen „Artforum", mit der ihre Galerie für die Ausstellung „Moving Home(s)" wirbt: Denn die Gruppenschau eröffnete am 6. Juli in Beirut nur, um nach weniger als zwei Wochen wieder zu schließen. Als Bomben den Süden des Libanon und gro­ße Teile der Stadt in Schutt und Asche legten, floh Andrée Sfeir-Semler mit einem Taxi in die Berge und über Syrien zurück nach Hamburg.

Nun ist der Krieg vorbei, das „ Artforum"-Heft erschienen - und die Galerie in Beirut hat wieder geöffnet. „Es geht darum, ein Zeichen zu setzen", sagt sie, bevor sie darauf hinweist, wie zynisch ihr der Titel „Moving Home(s)" dann vor­gekommen sei, als Tausende Libanesen aus den grenznahen Gebieten flohen oder ihre Häuser verloren. Die Ausstellung gilt allerdings dem weltumspannenden Tourismus, den die Künstler als modernes Nomadentum darstellen. Thematisch auf der Höhe der Zeit und mit internationalen Stars wie Jimmie Durham, Dan Graham oder Atelier van Lieshout besetzt, ist die Schau beispielhaft für die Arbeit der libanesischen Christin, die als Studentin ihr Heimatland verließ und von Deutschland aus mit ihrer Galerie in Hamburg international bekannt wurde.

Andrée Sfeir-Semler hat immer Kontakt zur Kunstszene ihres Heimatlands gehalten und erlebte seit Anfang der neunziger Jahre, „wie sich im Libanon eine eigenständige Kunstszene entwickelte". Vor einem Jahr war für Andree Sfeir-Semler der Moment gekommen, eine ehemalige Lagerhalle anzumieten, um auf mehr als tausend Quadratmetern „einen Dialog zu begründen, indem ich die westliche Kunst in den Osten katapultiere und gleichzeitig zeige, was dort geschieht". Mit Erfolg - Künstler wie Walid Raad, der, im Libanon geboren, inzwischen in New York lebt, wird vom 22. September an mit seinem Projekt „The Atlas Group" in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in Berlin ausgestellt.

Das profilierte Programm in der mehr als tausend Quadratmeter großen Halle in Beirut war von Anfang an als Zuschußgeschäft geplant; die passionierte Galeristin hält den Kunsthandel für nachhaltiger als das Ausstellungswesen. Vom großen Erfolg war sie aber selbst erstaunt. Es gibt weltweit ein starkes Interesse an zeitgenössischer Kunst aus dem arabischen Raum, und zu ihren Kunden gehören Libanesen in Frankreich, in Amerika oder England genauso wie aus Beirut selbst. Von Hamburg aus telefoniert sie jetzt mehrmals täglich mit Künstlern im Libanon, und sie hat festgestellt, daß sich die Künstlerschaft dort in zwei Generationen gespalten hat: „Die Enddreißiger, die bisher die junge Kunstszene tragen, sind vollkommen paralysiert", sagt Andree Sfeir-Semler, „während die jüngeren, die sich an die Invasion Anfang der achtziger Jahre nicht bewußt erinnern, wie besessen arbeiten - filmen, fotografieren."